GrenzTour Deutschland – Entdeckungen am Grünen Band

1300 Kilometer auf dem Iron Curtain Trail

Über 30 Jahre nach dem Mauerfall 1989 in Berlin ist die ehemalige innerdeutsche Grenze länger offen als sie in Zeiten des Kalten Krieges Deutschland teilte. Andreas Hartmann kennt die Zeit vor und nach der Grenzöffnung und wollte mit seiner Radreise entlang des sogenannten Grünen Bandes die Veränderungen beobachten.

Auf einer Strecke von rund 1.300 Kilometern ist er direkt auf oder in unmittelbarer Nähe neben dem ehemaligen Todesstreifen geradelt. Der Streckenabschnitt gehört zur Europäischen Radfernroute 13 „Iron Curtain Trail“, die entlang des Eisernen Vorhangs insgesamt über knapp 8.000 Kilometer von Istanbul bis zur Barentssee verläuft.

Unzählige Male passierte er dabei die Landesgrenzen der neun am Grünen Band liegenden Bundesländer Sachsen, Thüringen, Bayern, Hessen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.

Deutschland ist an diesem Grünen Band viel mehr zusammengewachsen, als Hartmann vor seiner langen Reise vermutete. „Oftmals erkennt man nicht, auf welcher Seite man sich befindet. Es sind nicht nur die ähnlich anmutende Bebauung der Gemeinden, sondern vor allem das Miteinander der Einwohner und der Vereine, die das Zusammenwachsen zur Normalität machen. Auch durch die vegetationsreichen Naturparks am Grünen Band verschwinden immer mehr die alten Barrieren“, berichtet der Autor.

Wichtig ist für ihn das Aufrechterhalten der Erinnerungen an das politische Unrecht, durch das viele Opfer bei ihrem Drang nach Freiheit an der Grenze ums Leben kamen.

Gedenksteine und Museen mahnen vielerorts an den alten Grenzverlauf. Technische Anlagen, wie Mauern, Signalzäune, Grenztürme, Hundelaufanlagen und vieles mehr zeugen davon. Am stärksten beeindruckt haben ihn die sogenannten geschleiften Dörfern, die im Rahmen von Grenzbegradigungsmaßnahmen dem Erdboden gleich gemacht wurden. Die Einwohner wurden einfach kurzerhand ins Hinterland deportiert. Aktion „Ungeziefer“ wurde dies genannt. In Vacha/Rhön kann man beispielsweise einem 14 Kilometer langen Gedächtnisweg gehen, der an elf Stationen an die geschleiften Häuser und Höfe erinnert.

Nicht nur die großen Gedenkstätten, wie Mödlareuth, Point Alpha, Schifflersgrund, Hötensleben oder Helmstedt/Marienborn sind beeindruckend, sondern auch die kleinen, meist durch viel ehrenamtliches Engagement gepflegten Mahnmale halten die Erinnerungen an den alten Grenzverlauf wach.

In Begegnungen mit Einheimischen erfuhr er viel vom damaligen Leben und den Umgang mit den Passierscheinen in den 5-Kilometer- oder 500-Meter-Sperrzonen.

So erzählte ein Hirschberger Einwohner auf seine Frage, wie er mit der damaligen Grenzsituation zurechtgekommen ist, dass er einen roten Passierschein hatte. Diesen bekam jeder, der in dem 500 Meter-Grenzstreifen wohnte. Mit dem roten Passierschein konnte er sich überall im Grenzgebiet innerhalb des Landkreises aufhalten. Er hat das damals als Kind nicht anders gekannt und als keine Besonderheit herausgestellt. Es gab auch noch blaue Passierscheine. Diese hatten Gültigkeit für die Fünf-Kilometer-Sperrzone und galten nur für einen Ort. Das Verhältnis zu seinen bayerischen Nachbarn bezeichnet er als normal, obwohl natürlich sprachliche Besonderheiten immer noch eine Rolle spielen. Trotz 28 Jahre Grenzöffnung sind in der Art und Weise des Umgangs miteinander immer noch Unterschiede zu spüren. Die anfängliche gegenseitige Skepsis ist jedoch weitestgehend verflogen.

Beispiellos war der damalige Grenzverlauf der Westthüringer Gemeinde Großburschla. Die kleine Ort ist eine Enklave, die geografisch etwa sieben Kilometer in das Hessische hineinragt. Zu DDR-Zeiten konnten die Einwohner nur über eine einzige Straße mit Passierschein in den Ort gelangen. Rings um Großburschla war so kaum eine freie Bewegung möglich.

Höchst interessant ist auch das Dorf Rüterberg im Landkreis Ludwigslust-Parchim. Es wurde durch die selbsternannte, an Schweizer Vorbild angelehnte Dorfrepublik bekannt. Der Ort wurde 1967 infolge eines zweiten Grenzzauns entlang der Elbe isoliert und dadurch sogar vom Gebiet der DDR abgeschnitten. Durch ein streng bewachtes Tor konnten die Bewohner ihr angestammtes Dorf nur nach Vorlage des Passierscheins verlassen oder betreten. Besuchserlaubnis gab es nicht. Nachts war generell kein Zugang möglich. Als Protest gegen die jahrzehntelange Isolierung riefen die Bewohner am 8. November 1989 die „Dorfrepublik Rüterberg“ aus, um ein Zeichen gegen die Demütigung durch die DDR-Organe zu setzen. Am Tag darauf fiel die Berliner Mauer. Manche behaupten dort, es gäbe einen unmittelbaren Zusammenhang.

Etwas Ironie der Geschichte erlebte Hartmann am Ende meiner Reise an der Ostsee östlich der Halbinsel Priwall bei Travemünde. Heute steht genau auf der ehemaligen Demarkationslinie ein FKK-Schild.

Insgesamt ist der gesamte Tourverlauf nicht nur eine Reise in die deutsch-deutsche Geschichte, sondern entlang der abwechslungsreichen Landschaften beginnend im Vogtland, über das Thüringer Schiefergebirge, den Thüringer Wald, die Rhön, den Hainich, das Eichsfeld, den Harz, durch Altmark, Drömling, Wendland und Elbelandschaft bis hin zur Ostsee ein einmaliges Naturerlebnis.

Den entsprechenden Beistand von ganz oben können sich die Radler in der Radfahrerkirche im hessischen Albungen holen.

Andreas Hartmann möchte mit meinen Erlebnissen Radfahrer animieren, diesen landschaftlich reizvollen und geschichtlich interessanten Radweg, wenn auch nur teilweise, zu erkunden.


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Die Thüringer Seite von Mödlareuth ist gut von Weitem einzusehen. Im Freiluft-Museum sind alte Grenzanlagen, Mauern, Zäune, Beobachtungstürme, Sperranlagen, Grenzpfähle und vieles mehr zu besichtigen. Hier kann man sich ein ungefähres Bild machen, wie die rund 1.400 km lange grüne Grenze um die DDR aufgebaut war. Der geschichtsträchtige kleine Tannbach markiert in Mödlareuth den Grenzverlauf. Ich steige auf einen Beobachtungsturm hoch und kann mir so einen kleinen Einblick in die damaligen Grenzposten verschaffen.

Aufgrund der geographischen Lage Mödlareuths wird hier auch von Klein-Berlin gesprochen. Eine 700 m lange und 3,40 m hohe Mauer trennte beide Ortsteile voneinander. Im bayerischen Mödlareuth herrschte damals starker Besucherandrang, um einen Blick in den Osten zu erhaschen. Der Osten des kleinen Ortes wurde hingegen im Rahmen der Grenzsicherungsmaßnahmen stark abgeschirmt. Selbst grüßen oder winken war verboten und stand unter Strafe.

Mittlerweile ziehen dunkle Wolken auf und es beginnt etwas zu regnen. Die nächste Station vor meinem Tagesziel in Hirschberg ist Juchhöh. Bis dorthin führt die Straße rund zwei Kilometer steil den Berg hinauf. Juchhöh liegt an der Bundesstraße B2. Eine Gaststätte lädt zum Aufenthalt ein. Fünf Kilometer vorm Ziel lohnt es sich für mich nicht mehr einzukehren.

Am Horizont sehe ich Sonnenstrahlen durch die dunklen Wolken scheinen. Sie verleihen der Landschaft eine romantische Abendstimmung. Bis in die Stadt Hirschberg geht es nun steil bergab. Je näher ich dem Ort komme, umso steiler wird die Straße. Von dem alten Lederindustrie-Charme ist nichts mehr zu spüren. Die Stadt hat ein freundliches Erscheinungsbild. Die Damen, die ich nach dem Weg zum Hotel frage, machen einen gastlichen Eindruck und freuen sich, dass ich Hirschberg als Etappenort ausgewählt habe. Sie stammen aus Hirschberg. Auf meine Frage, wie sie mit der damaligen Grenzsituation zurechtgekommen ist, antwortet mir eine Frau, dass sie einen roten Passierschein hatte. Diesen hat jeder bekommen, der in dem 500 Meter-Grenzstreifen wohnte. Mit dem roten Passierschein konnte sie sich überall im Grenzgebiet innerhalb des Landkreises aufhalten. Sie hat das damals als Kind nicht anders gekannt und als keine Besonderheit herausgestellt. Es gab auch noch blaue Passierscheine. Diese hatten Gültigkeit für die Fünf-Kilometer-Sperrzone und galten nur für einen Ort. Das Verhältnis zu ihren bayerischen Nachbarn bezeichnet sie als normal, obwohl natürlich sprachliche Besonderheiten immer noch eine Rolle spielen. Trotz 28 Jahre Grenzöffnung sind in der Art und Weise des Umgangs miteinander immer noch Unterschiede zu spüren. Die anfängliche gegenseitige Skepsis ist jedoch weitestgehend verflogen.

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