Alpenüberquerung zu Fuß vom Königssee nach Lienz

Riemann Haus mit Sonnenstein (2.308m)

Die Alpenüberquerung von St. Bartholomä am Königssee bis in die Osttiroler Sonnenstadt Lienz ist eine wahre Traumroute, weit abseits von den stark frequentierten touristischen Wanderwegen. Dennoch wird auch diese anspruchsvolle Variante immer beliebter. Andreas Hartmann ist diesen Weg sechs Jahre nach dem hochalpinen Romedius-Pilgerweg in sieben Tagen gegangen. Er legte dabei knapp 120 km und 7.000 Höhenmeter zurück, selbstverständlich ohne irgendwelche Gepäcktransfers oder Inanspruchnahme von Liften. Lediglich nutzte er entlang der Großglockner Hochalpenstraße von Bruck nach Fusch für 10 km eine Buslinie, da es in dem Abschnitt wenig Alternativen zur viel befahrenen Hauptstraße gibt.

Die Tour ist landschaftlich extrem reizvoll, da sich die Natur dieser Alpenregion in einer Vielfalt präsentiert, die unvergleichlich ist. Es beginnt bereits mit der Fahrt zum Ausgangspunkt der Tour über den Königssee. Unvergesslich ist hier das Trompetenecho auf dem türkisblauen See. Der reichlich 1.000 Höhenmeter-Aufstieg zum Kärlinger Haus besticht besonders durch die sogenannte Saugasse, ein durch beiderseits hohe Felswände gerahmter Serpentinenweg. Immer im Blick zurück der mächtige Watzmann. Der Funtensee soll der kälteste See Deutschlands sein, dennoch im Hochsommer eine willkommene Erfrischung.

Die zweite Etappe gehört dem Steinernen Meer. Der Wegverlauf macht diesem Namen alle Ehre, Steine und Felsen soweit das Auge reicht. Dennoch sind auch Blumen und Kräuterpflanzen zu finden. Hartmann hat das Steinerne Meer bei leichtem Gewitter und Dauerregen bis zum Riemann Haus durchwandert. Der Höhepunkt an diesem Tag ist zweifelsohne der Sonnenstein auf 2.308m Höhe. Trotz der relativ geringen Höhe ist dieser Gipfel markanter als manch ein 3.000er. Der Rundumblick von dort oben ist gigantisch. Der Abstieg ist trotz Seilsicherungen nicht ungefährlich und extrem lang. Willkommen sind dann die Schotterwege im unteren Bereich bis Maria Alm.

Im Ortsteil Unterberg geht es am dritten Tag mehr oder weniger steil bergauf zum Statzerhaus am Hundsstein. Eine Einkehr unterwegs in der Grießbachhütte auf 1.550m Höhe ist eine unbedingte Empfehlung, besonders die Buttermilch mit frischen Preiselbeeren. Der Forstweg zum 2.117m hohen Gipfel des Hundsteins ist zudem ein Eldorado für Mountainbiker. Unerwartet lang präsentiert sich die Schotterstraße hinab nach Bruck. Drei Stunden sind für die 15 Kilometer mindestens einzuplanen. Beim Abstieg kann der Blick immer wieder nach Zell am See schweifen.

Bruck liegt an der Großglockner Hochalpenstraße am Kilometer 0. Für Andreas Hartmann beginnt die vierte Etappe an der Embachkapelle bei Fusch. Er passiert im Morgennebel das Ferleitental mit Stausee und das anschließende Käfertal. Vor ihm liegt das faszinierende Bergpanorama der Hohen Tauern. Im Käfertal gibt es bei den hochsommerlichen Temperaturen Erfrischung pur in einer perfekt ausgestatteten Kneippanlage. Die wenigen Höhenmeter zur Trauneralm sind dann schnell erreicht. Die uralte Alm besticht durch Tradition, Ursprünglichkeit und Aussichten in die Bergwelt. Der Tag ist wie ein Ruhetag vor den anstrengenden Wegabschnitten der kommenden Tage.

Tag Fünf ist die Königstour. Hier wird der Alpenhauptkamm überschritten. Der Tag beginnt regnerisch. Bis zur unteren Pfandlerscharte auf 2.663m ist es ein schwerer Weg, besonders im oberen Bereich. Breite Bäche, Geröll und Gletscherreste sind zu überqueren. Immer wieder ziehen Nebelschwaden auf und erschweren die Orienierung. Nach drei Stunden ist die Scharte erreicht. Die Aussicht in beide Täler ist gut. Zwischen den Nebelfeldern kommt sogar kurz die Sonne raus. Hier ist die Gelegenheit, den Spielmann zu besteigen. Damit wird die Alpenüberquerung mit einem 3.000er gekrönt. Der Zugang über den Westgrat ist verhältnismäßig gut zu gehen, aber durch den Regen der letzten Stunden ist auf dem losen Schiefergestein erhöhte Vorsicht geboten. Der Rucksack kann an der Scharte bleiben, da hier auf gleichem Weg der Abstieg erfolgt. In einer knappen Stunde ist das Ziel erreicht. Berg Heil! Die Aussicht zum Großglockner und die umliegenden Berge und Täler ist perfekt. Nach dem obligatorischen Eintrag im Gipfelbuch geht es wieder bergab. Auch hier ist Vorsicht geboten. Die Teleskopstöcke sind unverzichtbar. Der weitere Weg verläuft im ständigen auf und ab. Beim Blick zurück ist das Ausmaß des Spielmann-Massivs mit dem kaum noch vorhandenem Gletscher zu sehen. Weit oberhalb des Tagesziels Glocknerhaus kann Hartmann Murmeltiere beobachten, fotografieren und filmen. Das Ambiente am Glockner bietet ebenfalls viele Motive mit dem nahen, fast unwirklich wirkenden türkisblauen Magaritzensee in Verbindung mit König Großglockner.

Der sechste Tag ist der längste und anstrengendste der gesamten Tour. Der Weg ist weit, zu weit wie manche Zeitgenossen behaupten. Andreas Hartmann geht den Tag dennoch entspannt an. In schnellen Schritten ist bergab die erste Alm und bald das Gössnitztal in der Schobergruppe erreicht. Die Gössnitz ist ein kleiner Bach, der hier bei Heiligenblut laut und wild in die Tiefe stürzt. Das Zwischenziel ist die Elberfelder Hütte, die über feuchte Wiesenwege stets bergan und bei mäßigem Regen erreicht wird. Die Hütte bietet gutes Essen und somit Kraft für den schweren Aufstieg durch die monotone Steinwüste zur Gössnitzscharte. Manch Bergwanderer kommt Hartmann auf den Hosenboden rutschend entgegen, so glatt sind hier die mit Flechten bewachsenen Steine ab der Elberfelder Hütte. Der obere Weg ist von großen Steinblöcken geprägt und wie auch der sonst so markante See bei aufziehendem Nebel nur schwer auszumachen. Laut donnernde Geröll-Lawinen an den verbliebenen Gletscherhängen wirken mystisch und vermuten ein schweres Gewitter. Nach gut zwei Stunden ist die 2.737m hohe Scharte erreicht. Sie markiert die Grenze zwischen Kärnten und Osttirol. Nun wird der Weg deutlich besser. Ein schmaler Pfad führt zunehmend über Schotter und Wiesen ins Tal. Besonders gut sind hier riesige von Gletschern geschliffene Felsblöcke zu erkennen. Nach reichlich 23 Kilometern und etwa 1.200 Höhenmetern bergauf und -ab geht die Tour in der Lienzer Hütte am Abend zu Ende.

Den Abschluss der Alpenüberquerung bietet eine lange Wanderung meist bergab durch das noch zum Nationalpark Hohe Tauern gehörende waldreiche Debant-Tal. Es ist meist eine breite Forststraße, die entspannt zu gehen ist und eine gute Gelegenheit die vergangenen Tage Revue passieren zu lassen. Von Weitem sieht man bald die Ortschaften im Iseltal. Die Stadt Lienz ist nicht mehr weit. In vielen Serpentinen bergab, zum Schluss auf Asphaltstraßen erreicht Andreas Hartmann sein Ziel nach insgesamt knapp 120 Kilometern und 7.000 Höhenmetern in der Lienzer Pfarrkirche St. Andrä.

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